GEFLÜGELTE KUNDE
Dann war
Nasuada wie weggetreten. Das plötzliche Fehlen jedweder
Sinneseindrücke war so umfassend, dass es der Varden-Anführerin
erst bewusst wurde, als Jörmundur sie schüttelte und laut ansprach.
Es dauerte etwas, bis sie die Worte verstand, die aus seinem Mund
kamen: »... schaut mich an! Ja, genau so! Schlaft nicht wieder ein.
Wenn Ihr das tut, erwacht Ihr nicht mehr.«
»Du kannst mich ruhig loslassen, Jörmundur«,
sagte sie und brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Es geht mir
gut.«
»Sicher. Und mein Onkel Undset war ein
Elf.«
»War er das nicht?«
»Ha! Ihr seid genau wie Euer Vater: Ihr
ignoriert alle Warnungen, wenn es um Euer persönliches Wohlergehen
geht. Meinetwegen können die Stämme mit ihren verfluchten alten
Bräuchen verrotten. Lasst Euch von einem Heiler behandeln! Im
jetzigen Zustand seid Ihr nicht fähig, Entscheidungen zu
treffen.«
»Deshalb habe ich ja bis zum Abend gewartet.
Die Sonne ist schon fast untergegangen. Heute Nacht erhole ich
mich, und morgen kann ich mich wieder um alles kümmern, was meine
Aufmerksamkeit erfordert.«
Von der Seite erschien Farica und beugte
sich über Nasuada. »Oh Herrin, Ihr habt uns aber einen schönen
Schreck eingejagt.«
»Das tut sie immer noch«, murmelte
Jörmundur.
»Nun, mir geht es schon besser.« Nasuada
stemmte sich in ihrem Stuhl hoch. Ihre Unterarme brannten, doch sie
beachtete sie nicht. »Ihr könnt beide gehen. Ich komme schon
zurecht. Jörmundur, informiere Fadawar, dass er Oberhaupt seines
Stammes bleiben möge, solange er mir als Feldherr Treue gelobt. Er
ist als Anführer zu fähig, um auf ihn verzichten zu können. Und du,
Farica, gibst auf dem Rückweg in dein Zelt der Kräuterheilerin
Angela Bescheid, dass ich ihrer Dienste bedarf. Sie hat
versprochen, mir Tinkturen und Umschläge anzurühren.«
»In diesem Zustand lasse ich Euch nicht
allein«, erklärte Jörmundur.
Farica nickte. »Verzeiht bitte, Herrin, aber
ich stimme ihm zu. Es ist zu gefährlich.«
Nasuada warf einen Blick zum Eingang des
großen Kommandozeltes, um sicher zu sein, dass die Nachtfalken
nicht lauschten. Dann senkte sie ihre Stimme: »Ich werde nicht
allein sein.« Jörmundurs Augenbrauen schossen nach oben und Farica
sah beunruhigt drein. »Ich bin niemals allein. Versteht ihr?«
»Ihr habt bestimmte... Vorkehrungen
getroffen, Herrin?«, fragte Jörmundur.
»Ja, das habe ich.«
Diese Versicherung schien den beiden
Untergebenen nicht zu behagen. »Nasuada, ich bin für Euer
Wohlergehen verantwortlich«, sagte Jörmundur. »Ich muss wissen,
welche zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen Ihr ergriffen habt und wem
genau der Zugang zu Euch gestattet ist.«
»Nein«, sagte sie sanft. Als sie Jörmundurs
gekränkten Blick bemerkte, fuhr sie fort: »Ich hege keinen Zweifel
an deiner Loyalität, ganz im Gegenteil. Aber diese eine Sache muss
ich ganz für mich behalten. Um meines Seelenfriedens willen muss
ich diesen einen Dolch tragen, den niemand sehen kann. Ich muss
sozusagen noch ein Ass im Ärmel haben. Betrachte es ruhig als eine
Charakterschwäche von mir, aber quäle dich nicht, indem du mein
Vorgehen als Kritik an deiner Arbeit auffasst.«
»Herrin.« Jörmundur verneigte sich, eine
Formalität, die er ihr normalerweise ersparte.
Mit einer Handbewegung entließ sie die
beiden, und Jörmundur und Farica eilten aus dem Zelt.
Eine ganze Weile war das einzige Geräusch,
das Nasuada vernahm, das raue Krächzen der Blutkrähen, die über dem
Lager der Varden kreisten. Dann hörte sie ein leises Rascheln
hinter sich, wie von einer Maus auf Futtersuche. Sie wandte den
Kopf und sah Elva aus ihrem Versteck hinter dem Vorhang
treten.
Nasuada musterte sie.
Ihr unnatürlich schnelles Wachstum hatte
sich fortgesetzt. Als Nasuada der Kleinen vor einer Weile zum
ersten Mal begegnet war, schien sie zwischen drei und vier Jahre
alt zu sein. Nun sah sie eher aus wie sechs. Sie trug ein
schlichtes schwarzes Kleid mit violetten Borten am Hals und an den
Schultern. Ihr langes glattes Haar war noch dunkler, eine flüssige
Schwärze, die sich weit über ihren Rücken ergoss. Ihr scharf
geschnittenes Gesicht war knochenweiß, da sie kaum nach draußen
ging. Das Drachenmal auf ihrer Stirn glänzte silberfarben. Und in
ihren Augen, in ihren violetten Augen, lag ein erschöpfter,
zynischer Ausdruck - die Folge von Eragons Segen, der ein Fluch
war, da die Kleine den Schmerz anderer Menschen teilen und ihn wenn
möglich verhindern musste. Die jüngste Schlacht auf den Brennenden
Steppen hätte sie fast umgebracht, denn das Leid Tausender hatte
ihre Seele traktiert, obwohl ein Mitglied der Du Vrangr Gata sie
für die Dauer der Kämpfe in einen künstlichen Schlaf versetzt
hatte, der sie schützen sollte. Erst vor Kurzem hatte sie wieder
angefangen, zu sprechen und sich für ihre Umgebung zu
interessieren.
Sie fuhr sich mit dem Handrücken über den
Mund und Nasuada fragte: »Hat es dich sehr mitgenommen?«
Elva zuckte die Schultern. »Den Schmerz bin
ich gewohnt, aber Eragons Zauber zu widerstehen, wird niemals
leichter... Man kann mich nur schwer beeindrucken, aber so viele
Schnitte... Du bist eine starke Frau, Nasuada.«
Obwohl sie Elvas Stimme schon oft gehört
hatte, fuhr Nasuada bei ihrem Klang immer noch zusammen. Es war die
bittere, spöttische Stimme einer Erwachsenen, der es vor der Welt
ekelte, nicht die eines Kindes. Sie versuchte, ihr Schaudern zu
verdrängen, als sie entgegnete: »Du bist stärker. Du musstest auch
noch Fadawars Schmerz ertragen. Danke, dass du in meiner Nähe
warst. Ich ahne, was es dich gekostet haben muss, und ich bin dir
sehr dankbar.«
»Dankbar? Ha! Das Wort hat keine Bedeutung
für mich, Nachtjägerin.« Elvas
schmale Lippen verzogen sich zu einem schrägen Lächeln. »Hast du
etwas zu essen? Ich verhungere.«
»Farica hat hinter die Schriftrollen dort
drüben Brot und Wein gestellt«, antwortete Nasuada und deutete quer
durch den Raum. Sie sah zu, wie das Mädchen hinüberging und das
Brot in großen Bissen hinunterzuschlingen begann. »Zumindest musst
du nicht mehr lange so leben. Sobald Eragon zurückkehrt, wird er
dich von dem Zauber befreien.«
»Vielleicht.« Nachdem sie den halben
Brotlaib vertilgt hatte, hielt Elva inne. »Ich habe gelogen,
bezüglich der Probe der Langen Messer.«
»Wie meinst du das?«
»Ich hatte vorhergesehen, dass du verlieren
würdest.«
»Was?«
»Hätte ich dir die Wahrheit gesagt, hättest
du beim siebten Schnitt die Nerven verloren und Fadawar würde nun
dort sitzen, wo du sitzt. So habe ich dir gesagt, was du hören
musstest, um durchzuhalten und zu siegen.«
Nasuada fröstelte. Falls es stimmte, was
Elva da sagte, dann stand sie mehr denn je in der Schuld des
Hexenkinds. Trotzdem gefiel es ihr nicht, von anderen manipuliert
zu werden, selbst wenn es zu ihrem eigenen Wohl geschah. »Ich
verstehe. Es scheint, als müsste ich mich schon wieder bei dir
bedanken.«
Da stieß Elva ein kehliges Lachen aus. »Und
das behagt dir nicht, stimmt’s? Aber das spielt keine Rolle. Sorge
dich nicht, dass du mich kränken könntest, Nasuada. Wir sind
einander nützlich, nichts weiter.«
Nasuada reagierte erleichtert, als einer der
Zwerge ihrer Leibgarde, der Hauptmann dieser Wache, mit dem Hammer
gegen seinen Schild klopfte und verkündete: »Die Kräuterheilerin
Angela bittet um eine Audienz, Nachtjägerin.«
»Gewährt«, sagte Nasuada mit lauter
Stimme.
Mit mehreren Taschen und Körben beladen,
platzte Angela in den Raum. Wie immer bildeten die
Korkenzieherlocken eine wilde Sturmwolke um ihr Gesicht, das von
Sorge gezeichnet war. Solembum, die Werkatze, folgte ihr in seiner
tierischen Gestalt auf dem Fuß. Der Kater steuerte sofort auf Elva
zu, machte einen Buckel und rieb sich an ihrem Bein.
Angela stellte ihr Gepäck ab, lockerte ihre
Schultern und sagte: »Also wirklich! Den Großteil meiner Zeit bei
den Varden scheine ich damit zu verbringen, Leute zu heilen, die zu
dumm sind zu verstehen, dass sie sich besser nicht in Stücke hacken lassen sollten.«
Während sie sprach, ging sie zu Nasuada hinüber und löste ihr die
Verbände vom rechten Unterarm. Sie schnalzte missbilligend.
»Normalerweise ist dies der Moment, in dem die Heilerin ihre
Patientin fragt, wie es ihr geht, und die Patientin zwischen
zusammengebissenen Zähnen hervorpresst: ›Oh, es geht schon.‹ Worauf
die Heilerin entgegnet: ›Gut, gut. Sei frohen Mutes, du wirst bald
wieder gesund sein.‹ Aber es ist wohl offensichtlich, dass
Ihr nicht so bald wieder wild
durch die Gegend rennen und Angriffe gegen das Imperium anführen
werdet. Noch lange nicht.«
»Aber ich werde genesen, oder?«, fragte
Nasuada.
»Das würdet Ihr, wenn ich diese Wunden mit
Magie schließen könnte. Da ich das nicht kann, ist es schwierig,
eine Prognose zu wagen. Ihr werdet Euch wie die meisten Menschen
gedulden müssen und darauf hoffen, dass sich keiner der Schnitte
infiziert.« Sie hielt inne und sah Nasuada direkt an. »Euch ist
doch klar, dass Ihr Narben zurückbehalten werdet?«
»Es kommt, wie’s kommt.«
»Nur zu wahr.«
Nasuada unterdrückte ein Stöhnen und blickte
zur Decke, während Angela jede Schnittwunde nähte und anschließend
mit einem zähen Kräuterbrei bestrich. Aus dem Augenwinkel sah sie,
wie Solembum auf den Tisch sprang und sich neben Elva setzte. Mit
einer großen pelzigen Tatze fischte sich die Werkatze ein Stück
Brot von Elvas Teller und knabberte mit weiß aufblitzenden Fängen
daran herum. Die schwarzen Quasten an seinen übergroßen Ohren
bebten, während er sie von einer Seite zur anderen drehte, um den
metallgewandeten Kriegern zu lauschen, die am Zelt
vorbeimarschierten.
»Barzûl«, murmelte Angela. »Auf so was
können nur Männer kommen: sich in den Arm zu schneiden, um
herauszufinden, wer der Anführer des Rudels ist. Idioten!«
Es tat weh zu lachen, aber Nasuada konnte
nicht anders. »Stimmt«, sagte sie, als sie sich wieder beruhigt
hatte.
Gerade als Angela den letzten Verband
anlegte, brüllte der Zwergenhauptmann vor dem Zelt: »Stehen
bleiben!« Dann ertönte ein scharfes metallisches Klirren, als die
menschlichen Wachen die Schwerter kreuzten und demjenigen, der
Einlass begehrte, den Weg versperrten.
Ohne lange zu überlegen, zog Nasuada das
vier Zoll lange Messer aus der in ihrem Mieder eingenähten Scheide.
Es fiel ihr schwer, den Griff zu fassen, denn ihre geschwollenen
Finger waren gefühllos und ihre Unterarmmuskeln reagierten nur
zögerlich. Als wäre ihr Arm eingeschlafen. Richtig spüren konnte
sie nur die brennenden Fäden in ihrer Haut.
Auch Angela zog irgendwo aus ihrem Kleid
einen Dolch. Sie baute sich vor Nasuada auf und murmelte einen
Spruch in der alten Sprache. Solembum sprang vom Tisch und kauerte
sich neben Angela. Sein Fell sträubte sich und ließ ihn größer
erscheinen, als die meisten Hunde es waren. Er stieß ein leises
Knurren aus.
Elva mampfte ungerührt weiter. Sie
betrachtete das Brotstück zwischen ihrem Daumen und Zeigefinger,
wie man ein Exemplar einer seltenen Insektenart mustern würde. Dann
tauchte sie es in den Weinkelch und schob sich den Bissen in den
Mund.
»Herrin!«, rief ein Mann. »Eragon und
Saphira sind im Anflug aus Nordosten!«
Nasuada schob das Messer in die Scheide
zurück. Sie erhob sich und sagte zu Angela: »Hilf mir, mich
anzukleiden.«
Die Kräuterhexe hielt das offene Gewand vor
sie hin und führte Nasuadas Arme sanft in die Ärmel. Dann machte
sie sich daran, das Kleid am Rücken zuzuschnüren. Elva half ihr
dabei. Gemeinsam hatten sie Nasuada wenig später angemessen
verpackt.
Nasuada begutachtete ihre Arme: Die Verbände
waren unter dem Stoff ihres Kleides nicht zu sehen. »Soll ich meine
Verletzungen verbergen oder sie zeigen?«, fragte sie.
»Kommt drauf an«, antwortete Angela. »Was
meint Ihr? Wird, sie zu zeigen, die Furcht Eurer Feinde schüren
oder eher ihren Mut, weil sie Euch für schwach und verwundbar
halten? Es ist im Grunde eine philosophische Frage. Sie basiert
darauf, ob man einen Menschen, der seinen großen Zeh verloren hat,
als Krüppel bezeichnet oder als klug und stark, vielleicht sogar
als glücklich, weil er einer schwereren Verletzung entgangen
ist.«
»Du ziehst die seltsamsten
Vergleiche.«
»Vielen Dank.«
»Die Probe der Langen Messer ist ein
Kräftemessen«, sagte Elva, »das den Varden und Surdanern
wohlbekannt ist. Bist du stolz auf deine Stärke, Nasuada?«
»Schneidet die Ärmel ab«, entschied die
Anführerin der Varden. Als die beiden zögerten, drängte sie: »Macht
schon! An den Ellbogen. Vergesst das Kleid. Ich lasse die Ärmel
später wieder annähen.«
Mit einigen geschickten Handgriffen trennte
Angela die unteren Teile der Ärmel ab und legte den Stoff auf den
Tisch.
Nasuada hob das Kinn. »Elva, falls du
spürst, dass ich zusammenbreche, sag bitte Angela Bescheid, damit
sie mich auffängt. So, sollen wir?« Die drei scharten sich eng
zusammen, Nasuada an der Spitze. Solembum lief neben ihnen
her.
Als sie aus dem roten Kommandozelt traten,
blaffte der Zwergenhauptmann: »Nehmt eure Plätze ein!« Die sechs
diensthabenden Nachtfalken verteilten sich um die Gruppe: Menschen
und Zwerge stellten sich vor und hinter ihnen auf, die beiden
riesenhaften Kull - mehr als acht Fuß große Urgals - links und
rechts.
Die Abenddämmerung breitete ihre goldenen
und purpurnen Schwingen über dem Lager der Varden aus und verlieh
der weitläufigen Zeltstadt etwas Geheimnisvolles, Mystisches. Die
länger werdenden Schatten kündeten von der herannahenden Nacht und
die zahllosen Fackeln und Wachfeuer verströmten bereits ihren
goldenen Schein im warmen Dämmerlicht. Nach Osten hin war der
Himmel ganz klar. Im Süden verbarg eine breite, tief hängende
Rauchwolke den Horizont und die viereinhalb Meilen entfernten
Brennenden Steppen. Im Westen markierte eine Reihe von Buchen und
Espen den Lauf des Jiet-Stroms, wo die Drachenschwinge lag, das Schiff, das Jeod,
Roran und die anderen Dorfbewohner Carvahalls gekapert
hatten.
Aber Nasuadas Blick war nur nach Norden
gerichtet, von wo Saphiras glitzernde Gestalt heranschwebte. Das
Licht der untergehenden Sonne fiel noch auf sie und umhüllte sie
mit einem bläulichen Glorienschein. Sie sah aus wie ein vom Himmel
fallender Sternenhaufen.
Der Anblick war so majestätisch, dass
Nasuada einen Moment lang wie erstarrt dastand, dankbar, ihn
genießen zu dürfen. Sie sind in
Sicherheit!,dachte sie und seufzte erleichtert.
Der Krieger, der die Kunde von Saphiras
Ankunft überbracht hatte - ein dünner Mann mit einem ungepflegten
Wuschelbart -, verneigte sich, dann deutete er zum Himmel. »Herrin,
wie Ihr seht, habe ich die Wahrheit gesagt.«
»Ja. Gut gemacht. Du musst scharfe Augen
haben, um Saphira so früh erspäht zu haben. Wie heißt du?«
»Fletcher, Sohn von Harden, Herrin.«
»Hab Dank, Fletcher. Du kannst jetzt auf
deinen Posten zurückkehren.«
Nach einer weiteren Verbeugung trottete der
Mann davon zum Rand des Lagers.
Den Blick starr auf Saphira geheftet, ging
Nasuada zwischen den Zeltreihen hindurch, bis sie das freie Gelände
erreichte, das man für den Drachen als Start- und Landeplatz
reserviert hatte. Ihre Leibgarde und Gefährten begleiteten sie,
doch sie schenkte ihnen keine Beachtung. Sie war viel zu aufgeregt,
endlich Eragon und Saphira wiederzusehen. In den vergangenen Tagen
hatte sie sich große Sorgen um die beiden gemacht, sowohl in ihrer
Eigenschaft als Oberhaupt der Varden wie auch, zu ihrer
Überraschung, als Freundin.
Saphira flog schnell wie ein Falke, war aber
immer noch mehrere Meilen vom Lager entfernt, und es dauerte fast
zehn Minuten, bis sie das letzte Stück bewältigt hatte. Unterdessen
bildete sich rings um das Feld ein riesiger Auflauf von
Schaulustigen: Menschen, Zwerge und selbst ein Trupp grauhäutiger
Urgals, angeführt von Nar Garzhvog. Ebenfalls gekommen waren König
Orrin und seine Höflinge, die gegenüber von Nasuada Aufstellung
nahmen; Narheim, der Botschafter der Zwerge, der nach Oriks
Rückkehr nach Farthen Dûr dessen Pflichten übernommen hatte;
Jörmundur; die anderen Mitglieder des Ältestenrates und Arya.
Die groß gewachsene Elfe schob sich durch
die Menge auf Nasuada zu. Obwohl die Leute gespannt Saphiras
Landung erwarteten, wandten Männer wie Frauen den Blick vom Himmel
und starrten Arya nach, so beeindruckend war ihre Erscheinung. Sie
war ganz in Schwarz gekleidet, trug eine hautenge Hose wie ein
Mann, an der Hüfte ein Schwert und auf dem Rücken einen Bogen samt
Köcher. Ihre Haut war von der Farbe hellen Honigs, ihr Gesicht
hatte etwas Katzenartiges. Und sie bewegte sich mit einer
kraftvollen, geschmeidigen Anmut, die ebenso auf ihr Geschick mit
dem Schwert wie auf ihre übernatürlichen Kräfte verwies.
Ihre exzentrische Kleidung hatte Nasuada
immer als ein wenig unschicklich empfunden: Sie war viel zu
figurbetont. Aber Nasuada musste zugeben, dass Arya selbst in
Lumpen noch königlicher und würdevoller ausgesehen hätte als
irgendeine sterbliche Adlige.
Die Elfe blieb vor Nasuada stehen und
deutete mit einem schlanken Finger auf deren Wunden. »Es ist so,
wie der Poet Earnë sagte: Zum Wohle seines Volkes und seiner
geliebten Heimat Schmerzen zu erdulden, ist das Ehrenwerteste, was
man tun kann. Ich habe jeden Anführer der Varden gekannt. Es waren
alles mächtige Männer und Frauen, vor allem Ajihad. Dennoch denke
ich, du hast selbst ihn übertroffen.«
»Ich fühle mich geehrt, Arya. Aber ich
fürchte, wenn mein Licht so hell scheint, werden zu wenige meinem
Vater das Andenken bewahren, das ihm gebührt.«
»Die Taten der Kinder sind immer auch
Zeugnis der Erziehung, die sie von ihren Eltern erhalten haben.
Brenne wie die Sonne, Nasuada! Denn umso heller du erstrahlst,
desto mehr Leute werden Ajihad bewundern, der dich gelehrt hat, die
Verantwortung der Führerschaft in so jungen Jahren zu
übernehmen.«
Nasuada senkte das Haupt und nahm sich vor,
Aryas Ratschlag zu beherzigen. Dann sagte sie lächelnd: »In so
jungen Jahren? Nach unseren Maßstäben bin ich eine erwachsene
Frau.«
Belustigung blitzte in Aryas grünen Augen.
»Das stimmt. Aber wenn wir nach Jahren und nicht nach Weisheit
urteilten, würde unter meinen Artgenossen kein Mensch als erwachsen
gelten. Außer Galbatorix natürlich.«
»Und ich«, warf Angela ein.
»Ach komm«, sagte Nasuada. »Du bist doch
nicht viel älter als ich.«
»Ha! Ihr verwechselt die äußere Erscheinung
mit dem Alter. Eigentlich solltet Ihr es besser wissen, nachdem Ihr
nun schon so viel Zeit mit Arya verbracht habt.«
Bevor Nasuada fragen konnte, wie alt Angela
denn nun wirklich sei, spürte sie, wie ihr jemand von hinten
kräftig am Kleid zupfte. Sie drehte sich um und sah, dass Elva sich
diese Freiheit herausgenommen hatte und sie zu sich herunterwinkte.
Sich bückend, legte Nasuada ein Ohr dicht an Elvas Mund und
lauschte. »Eragon sitzt nicht auf Saphira«, sagte die Kleine.
Nasuada spürte, wie es ihr die Kehle
zuschnürte und sie kaum noch Luft bekam. Sie blickte nach oben.
Saphira kreiste direkt über dem Lager, in einigen tausend Fuß Höhe.
Ihre riesigen fledermausartigen Schwingen zeichneten sich vor dem
abendlichen Himmel schwarz ab. Nasuada konnte Saphiras Unterseite
erkennen, die hellen Klauen vor den überlappenden Bauchschuppen,
aber nicht, wer auf ihr saß.
»Wie kannst du das wissen?«, fragte sie das
Mädchen mit gesenkter Stimme.
»Ich spüre weder seine Sorgen noch seine
Ängste. Roran ist da und eine Frau, vermutlich Katrina. Sonst
niemand.«
Nasuada richtete sich auf, klatschte in die
Hände und rief: »Jörmundur!«
Der Befehlshaber, der ein gutes Dutzend
Schritte entfernt stand, kam gerannt und drängte jeden, der ihm im
Weg stand, zur Seite. Er war erfahren genug, um zu wissen, wann es
sich um einen Notfall handelte. »Herrin.«
»Lass das Feld räumen! Schick die Zuschauer
fort, bevor Saphira landet.«
»Gilt das auch für Orrin, Narheim und
Garzhvog?«
Sie verzog das Gesicht. »Nein, aber außer
ihnen darf niemand bleiben. Beeil dich!«
Als Jörmundur begann, Befehle zu brüllen,
traten Arya und Angela zu Nasuada. Die beiden wirkten so alarmiert,
wie sie sich fühlte. »Saphira wäre nicht so ruhig, wenn Eragon
verletzt oder tot wäre«, sagte die Elfe.
»Aber wo ist er dann?«, wollte Nasuada
wissen. »In welche Schwierigkeiten ist er jetzt wieder
geraten?«
Wildes Gedränge und Geschiebe herrschte auf
dem Landeplatz, während Jörmundur und seine Männer die Zuschauer zu
ihren Zelten zurückdirigierten. Gelegentlich mussten sie ihre
Stöcke zu Hilfe nehmen, wenn die Krieger einfach stehen blieben
oder protestierten. Hier und dort brach eine Rangelei aus, aber die
Streithähne wurden rasch voneinander getrennt, damit es nicht zu
handfesten Schlägereien kam. Zum Glück zogen die Urgals sich auf
Geheiß ihres Stammesoberhaupts widerspruchslos zurück, wenngleich
Garzhvog selbst zu Nasuada hinüberging, genauso wie König Orrin und
der Zwerg Narheim.
Nasuada spürte den Boden unter ihren Füßen
beben, als der riesige Urgal auf sie zutrat. Er hob das knochige
Kinn und entblößte die Kehle, wie es Sitte bei seinem Volk war.
»Was hat das zu bedeuten, Nachtjägerin?«, fragte er. Die Form
seines Kiefers und seiner Zähne, zusammen mit seinem Akzent, machte
es Nasuada schwer, ihn zu verstehen.
»Ja, das würde ich auch gerne wissen«, sagte
Orrin. Sein Gesicht war rot angelaufen.
»Ich auch«, sagte Narheim.
Während Nasuada die Männer betrachtete,
wurde ihr klar, dass hier wahrscheinlich zum ersten Mal seit
Tausenden von Jahren Angehörige fast aller Völker Alagaësias
friedlich zusammengekommen waren. Die Einzigen, die fehlten, waren
die Ra’zac und ihre Rösser, doch Nasuada wusste, kein
vernunftbegabtes Wesen würde diese Scheusale jemals in seine Runde
einladen. Sie deutete auf Saphira und sagte: »Der Drache wird die
Antworten liefern, die Ihr wünscht.«
Gerade als die letzten Nachzügler das Feld
räumten, rauschte ein kräftiger Luftstrom über Nasuada hinweg, als
Saphira herabschoss, die Flügel ausbreitete, um abzubremsen, und
mit den mächtigen Hinterbeinen im Sand aufsetzte. Sie ließ sich
nach vorne auf alle viere fallen, worauf ein dumpfes Krachen durchs
Lager schallte. Nachdem sie die Lederschnallen geöffnet hatten,
stiegen Roran und Katrina rasch ab.
Nasuada trat vor und musterte Katrina. Sie
war neugierig, welche Art von Frau einen Mann dazu bringen konnte,
solche außergewöhnlichen Taten zu vollbringen, um sie zu retten.
Die Frau vor ihr hatte einen kräftigen Knochenbau, die ungesunde
Blässe eines Menschen, der wochenlang eingesperrt war, und eine
kupferfarbene Haarmähne. Ihr Kleid war so zerrissen und
verschmutzt, dass man nicht mehr erkennen konnte, wie es
ursprünglich ausgesehen haben mochte. Trotz der Spuren, die die
Gefangenschaft hinterlassen hatte, erkannte Nasuada, dass Katrina
zwar durchaus hübsch war, aber nicht gerade das, was die Barden als
eine große Schönheit besingen würden. Dafür strahlte sie eine
unbeirrbare Entschlossenheit aus. Hätte man Roran an ihrer statt
verschleppt, wäre Katrina wohl ebenso imstande gewesen, Carvahalls
Dorfbewohner aufzustacheln, sie nach Surda zu führen, bei der
Schlacht auf den Brennenden Steppen mitzukämpfen und danach zum
Helgrind weiterzuziehen, alles zur Rettung ihres Geliebten. Selbst
als sie Garzhvog bemerkte, zuckte Katrina nicht mit der Wimper,
sondern blieb ungerührt an Rorans Seite stehen.
Roran verneigte sich vor Nasuada und vor
König Orrin. »Herrin«, sagte er mit ernster Miene. »Euer Majestät.
Darf ich Euch meine Verlobte Katrina vorstellen.« Sie machte vor
beiden einen Knicks.
»Willkommen bei den Varden, Katrina«, sagte
Nasuada. »Wir alle haben schon von dir gehört, denn eine
Leidenschaft und Treue wie Rorans findet man nicht oft. Lieder über
seine Liebe zu dir verbreiten sich bereits im ganzen Land.«
»Du bist höchst willkommen«, fügte Orrin
hinzu. »Höchst willkommen, in der Tat.«
Nasuada bemerkte, dass der König nur noch
Augen für die junge Frau hatte, so wie alle anwesenden Männer
einschließlich der Zwerge. Nasuada war sicher, dass sie ihren
Waffengefährten später ausführlich von Katrinas Reizen berichten
würden. Was Roran ihretwillen auf sich genommen hatte, erhöhte sie
eindeutig gegenüber gewöhnlichen Frauen; es machte sie zum Mythos,
zu einem Objekt der Faszination und Begierde für die Krieger. Dass
jemand für einen anderen Menschen so viel opferte, konnte nur
bedeuten, dass diese Person etwas ganz besonders Kostbares sein
musste.
Katrina errötete und lächelte. »Habt Dank«,
sagte sie. Neben ihrer Verlegenheit über so viel Aufmerksamkeit
färbte ein Anflug von Stolz ihre Wangen, als wüsste sie, wie
bemerkenswert Roran war, und als freute sie sich darüber, von allen
Frauen Alagaësias diejenige zu sein, die sein Herz erobert hatte.
Er gehörte ihr - und einen höheren Status, einen größeren Schatz
begehrte sie nicht.
Ein Gefühl von Einsamkeit stieg in Nasuada
auf. Ich wünschte, ich besäße, was die
beiden haben, dachte sie. Ihre mannigfaltigen Pflichten
hinderten sie daran, sich mädchenhaften Träumen von Liebe und Ehe -
und natürlich Kindern - hingeben zu können. Für sie kam nur eine
Vernunftehe zum Wohle der Varden infrage. Sie hatte schon einige
Male Orrin als möglichen Gatten in Betracht gezogen, sich aber nie
zu einer Heirat durchringen können. Und doch, sie war zufrieden mit
ihrem Schicksal und neidete Roran und Katrina ihr Glück nicht. Die
Sache der Varden war am wichtigsten für sie. Galbatorix zu stürzen,
war viel bedeutender als etwas so Triviales wie eine Ehe. Fast alle
Menschen heirateten, aber wem bot sich schon die Gelegenheit, ein
neues Zeitalter zu begründen?
Ich bin nicht ich
selbst heute Abend, erkannte Nasuada. Meine Verletzungen haben meine Gedanken in einen
Bienenschwarm verwandelt. Dann blickte sie an Roran und
Katrina vorbei auf Saphira und senkte den Schutzwall, der für
gewöhnlich ihren Geist umgab. Sie wollte hören, was Saphira zu
sagen hatte, und fragte: »Wo ist er?«
Mit dem trockenen Rascheln von
aneinanderreibenden Schuppen kam Saphira näher und senkte den Hals,
bis ihr Kopf direkt vor Nasuada, Arya und Angela schwebte. Im Auge
des Drachen funkelte blaues Feuer. Saphira schnaubte zweimal und
ihre tiefrote Zunge kam aus dem Maul geschossen. Der heiße feuchte
Atemstoß zerzauste den Spitzenkragen von Nasuadas Kleid.
Die Anführerin der Varden musste schlucken,
als Saphiras Bewusstsein das ihre berührte. Kein anderes Geschöpf,
dem Nasuada jemals begegnet war, fühlte sich an wie der Drache:
uralt, fremdartig, außerdem wild und sanft zugleich. Gepaart mit
Saphiras imposanter Erscheinung erinnerte das Nasuada daran, dass
der Drache sie jederzeit auffressen konnte, wenn er wollte. Es war
unmöglich, in Gegenwart eines solchen Geschöpfes völlig entspannt
zu sein, fand Nasuada.
Ich rieche
Blut, sagte Saphira. Wer hat
dich verletzt, Nasuada? Nenne mir ihre Namen, dann reiße ich die
Unglücksraben in Stücke und bringe dir ihre Köpfe als
Trophäen.
»Es ist nicht nötig, jemanden in Stücke zu
reißen. Zumindest noch nicht. Ich habe das Messer selbst geführt.
Aber dies ist nicht der Augenblick für lange Erklärungen. Erzähl
mir lieber, wo Eragon steckt.«
Er hat beschlossen, im
Imperium zu bleiben, sagte Saphira.
Erst war Nasuada fassungslos. Dann wich ihr
Unglaube einem wachsenden Gefühl von Niedergeschlagenheit. Die
anderen reagierten in ähnlicher Weise, woraus Nasuada schloss, dass
Saphira zu allen gleichzeitig gesprochen hatte.
»Wieso... wieso hast du ihm erlaubt zu
bleiben?«, fragte sie.
Als Saphira schnaubte, sammelten sich feine
Flammenzungen in ihren Nüstern. Es war
Eragons Entscheidung. Ich konnte ihn nicht davon abbringen. Er
besteht darauf, zu tun, was er für richtig hält, ganz gleich welche
Konsequenzen es für ihn oder für ganz Alagaësia haben mag... Ich
könnte ihn durchschütteln wie ein Küken, aber ich bin stolz auf
ihn. Sorge dich nicht. Er kann auf sich achtgeben. Bis jetzt ist
ihm kein Unglück widerfahren. Ich wüsste es, falls er verletzt
wäre.
Arya sagte: »Und warum hat er diese
Entscheidung getroffen?«
Es würde schneller
gehen, wenn ich es euch zeigte, statt es mit Worten zu erklären.
Darf ich?
Sie willigten ein.
Ein Strom aus Saphiras Erinnerungen
durchflutete Nasuada. Aus großer Höhe schaute sie zwischen den
Wolken auf den schwarzen Helgrind hinab, hörte Eragon, Roran und
Saphira besprechen, wie sie am besten vorgehen sollten. Sie sah,
wie sie den Unterschlupf der Ra’zac entdeckten, und erlebte
Saphiras langen, schweren Kampf mit dem Lethrblaka. Die Bilderfolge
faszinierte Nasuada. Sie war zwar im Imperium geboren worden,
konnte sich aber an nichts mehr erinnern. Es war das erste Mal in
ihrem erwachsenen Leben, dass sie etwas anderes zu sehen bekam als
die wilden Randgebiete des von Galbatorix beherrschten
Territoriums.
Als Letztes kam der Streit zwischen Eragon
und Saphira. Der Drachen versuchte, es zu verbergen, aber der
Schmerz darüber, Eragon verlassen zu haben, war noch zu frisch.
Nasuada musste mit den Verbänden an ihren Unterarmen ihre Tränen
abwischen. Die Gründe allerdings, die Eragon für sein Bleiben
vorbrachte - um den letzten Ra’zac zu töten und das Innere des
Berges zu erforschen -, erschienen ihr wenig überzeugend.
Sie runzelte die Stirn. Eragon mag ein Heißsporn sein, aber er ist sicherlich
nicht so töricht, all unsere Ziele zu gefährden, nur um ein paar
Höhlen zu erkunden und seinen Rachegelüsten bis zum Letzten zu
frönen. Es muss eine andere Erklärung für sein Verhalten
geben. Sie überlegte, ob sie Saphira bedrängen sollte,
ihr die Wahrheit zu sagen, aber sie wusste, dass der Drache eine
solche Information nicht aus einer Laune heraus zurückhalten
würde. Vielleicht möchte sie lieber unter
vier Augen mit mir darüber reden, überlegte sie.
»Verdammt noch mal!«, rief König Orrin aus.
»Eragon hätte keinen ungünstigeren Zeitpunkt für seinen Alleingang
wählen können. Was zählt schon ein einzelner Ra’zac, wenn nur
wenige Meilen von uns entfernt Galbatorix’ gesamte Streitmacht
steht?... Wir müssen den Burschen zurückholen.«
Angela lachte. Sie strickte eine Socke und
benutzte dazu fünf Knochennadeln, die in einem steten, wenn auch
eigentümlichen Rhythmus klapperten und klackten. »Wie denn? Er wird
wohl am Tage reisen, und Saphira darf tagsüber nicht durch die
Gegend fliegen und nach ihm suchen, weil sie jemand bemerken und
Galbatorix benachrichtigen könnte.«
»Ja schon, aber er ist unser Drachenreiter!
Wir können doch nicht tatenlos zusehen, während er sich irgendwo im
Feindesgebiet herumtreibt.«
»Das sehe ich auch so«, sagte Narheim. »Aber
was geschehen ist, ist geschehen. Jetzt müssen wir seine sichere
Rückkehr gewährleisten. Grimstnzborith Hrothgar hat Eragon in seine
Familie und seinen Clan aufgenommen. Wie ihr wisst, gehöre ich
demselben Clan an. Nach unserem Gesetz schulden wir ihm unsere
Treue und rückhaltlose Unterstützung.«
Arya kniete nieder und begann zu Nasuadas
Überraschung, ihre Stiefel aufzuschnüren und die Bänder fester zu
binden. »Saphira, wo genau war Eragon, als du das letzte Mal seinen
Geist berührt hast?«, fragte die Elfe währenddessen.
Am Eingang zum
Helgrind.
»Und weißt du, welchen Weg er nehmen
wollte?«
Das wusste er selbst
nicht so genau.
Arya richtete sich auf und sagte: »Dann
werde ich wohl überall nach ihm suchen müssen.«
Wie ein Reh schoss sie davon, rannte über
den Platz und verschwand zwischen den dahinterliegenden Zelten,
während sie leichtfüßig und schnell wie der Wind nach Norden
eilte.
»Arya, nein!«, rief Nasuada ihr nach, aber
die Elfe war schon zu weit entfernt. Hoffnungslosigkeit drohte sie
zu übermannen, während sie Arya nachblickte. Unser Zentrum bröckelt, dachte sie.
Die Kanten seines Brustpanzers umklammert,
als wollte er ihn abreißen, fragte Garzhvog Nasuada: »Soll ich ihr
folgen, Nachtjägerin? Ich kann zwar nicht so schnell rennen wie
kleine Elfen, aber ich bin genauso ausdauernd.«
»Nein... nein, bleib hier. Aus der Ferne
geht Arya für einen Menschen durch, dir hingegen wären die Soldaten
auf den Fersen, sobald der erste Bauer dich entdeckt.«
»Ich bin es gewohnt, gejagt zu
werden.«
»Aber nicht mitten im Imperium, wo es
überall von Galbatorix’ Schergen wimmelt. Nein, Arya muss allein
zurechtkommen. Ich bete, dass sie Eragon findet und ihn
wohlbehalten zurückbringt. Ohne ihn sind wir verloren.«